Von Mimi Erhardt
Paul Bähr entdeckte ich vor einigen Jahren auf Instagram. Wie genau, ob er mir empfohlen wurde oder eines Tages auf meiner Explore-Page auftauchte, weiß ich nicht mehr. Was ich noch sehr genau weiß: Seine Tätowierungen gefielen mir so gut, dass ich gleich einen Termin bei ihm buchte. Pauls Stil ist klar, schwarz, selten Farben, traditionell und grafisch zugleich. Er verewigte auf meiner Wade eine mit Stacheldraht eingezäunte Landschaft, im Hintergrund geht eine rote Sonne unter.
Wer ist Paul Bähr?
Paul Bähr: „Schwer, aus so dem Nichts so anzufangen. Ich bin Paul, bin 25 Jahre und bin hier in Berlin geboren und aufgewachsen und seitdem auch nicht wirklich hier weggekommen. Auch, wenn mich das Ferne und alles außerhalb dieser riesigen Betonwüste schon immer mehr interessiert hat. Ich wurde früh aus meiner Familie rausgenommen und wurde, bis ich 18 Jahre alt war, vom Jugendamt betreut. Und wie man sich das so vorgestellt als Jugendlicher ohne Eltern in Berlin, hab ich mich viel draußen rumgetrieben und auch den ein oder anderen großen Scheiß gebaut. Aber davon müssen wir nicht anfangen, das würde zu lange dauern. Malen, Drogen, Saufen – viel mehr gab es für mich zu der Zeit nicht. Früher habe ich viel Hip Hop gehört, das ist dann aber mit der Zeit mehr und mehr in Rock, Punk und die Hardcore-Richtung gegangen.“
Paul Bähr: „Heute lasse ich alles etwas ruhiger angehen. Ich versuche, ein paar mal die Woche Sport zu machen. Ich bin viel draußen mit meiner Freundin, da wir auch einen Hund zusammen haben, der viel Bespaßung braucht. Und das ist auch gut so :)“
Ist Paul Bähr ein Alias?
Paul Bähr: „Paul Bähr ist tatsächlich mein richtiger Name, so hieß ich aber nicht immer.
Meine Kindheit und Jugend war ein ziemliches Durcheinander, und deshalb habe ich den Nachnamen meines Erzeugers abgelegt und den Nachnamen meiner Oma angenommen.
Ich folge dir schon eine Weile und habe selbst auch eine Tätowierung von dir, die ich immer noch feiere. Wenn ich mir das Tattoo so ansehe, generell Arbeiten von dir von vor zwei, drei Jahren, hast du oft grafische Elemente verarbeitet, hin und wieder auch Farben, wie bei mir eine rote Sonne. Inzwischen sind deine Designs eher Traditional. Erzähl uns was über diese Entwicklung.
Paul Bähr: „Das freut mich sehr zu hören! Ja, das waren meine Anfänge. Ich habe früher sehr viel Gefallen an grafischen und simplen Designs gefunden. Das kommt wahrscheinlich auch daher, dass ich damals mit Graffiti angefangen habe, wo ich auch sehr viele grafische Elemente benutzt habe. Ich habe aber mit der Zeit gemerkt, dass mich das Ganze sehr einschränkt und ich nicht mehr viel Neues ausprobiert habe. Seit ungefähr zwei Jahren versuche ich, mehr und mehr in die traditionelle Richtung zu gehen, wo ich mich besser ausdrücken kann und mehr Möglichkeiten habe, das gesamte Design auszuarbeiten. Ein paar grafische Elemente sind aber immer noch zu finden.“
Du hast eine Vorliebe für Dolche und Dobermänner. Woher kommt die?
Paul Bähr: „Tatsächlich gar nicht, das mit den Dobermännern kam meist immer von Kunden. Und Dolche gehen immer, daran kann ich mich auch nicht satt sehen. 🙂 Kelche sind eher meins, mit was drinnen oder ohne, davon könnte ich 100 am Tag zeichnen, und ich hätte am Ende des Tages immer noch eine Idee, die ich gerne umsetzen würde.“
Du machst oft Motive, die für sich stehen. Wie sieht es aus, wenn ich ein komplettes Backpiece oder generell ein ganzheitliches Konzept will – bist du dafür offen?
Paul Bähr: „Ja, auf jeden Fall, immer her damit! Bis jetzt habe ich noch keines gemacht, freue mich aber über jeden, der Bock hat, wenn es um Großprojekte geht. Habe schon ein, zwei Designs, die bisher nur auf dem iPad rumliegen.“
Wie waren deine Anfänge als Tätowierer? Klassisch mit Orange und Pig Skin oder wie war das?
Paul Bähr: „Oh, ich glaube, da habe ich ganz klassisch angefangen. Ich hatte immer schon Lust zu tätowieren, bis ein Freund zu mir kam, nachdem ich ihm was gemalt hatte und meinte: ,Ich kauf dir eine Maschine, damit du mal endlich was in die Richtung machen kannst.‘ Natürlich ging alles zu Hause los, auf der Couch bei einem Kumpel, bei dem ich damals gewohnt habe. Ich glaube, ich habe zwei Minuten auf einer Orange geübt und bin danach sofort auf meinen Oberschenkel gesprungen und hab mir natürlich das größte Motiv rausgepickt, was ich da hatte. Sieht natürlich absolut schrecklich aus, ist aber immer noch da. Danach habe ich immer zwischen zwei Jobs und hinter der Bar stehen mich und alle meine Freunde verschandelt. 🙂 Ich war echt kein Naturtalent, haha. Das Licht war tatsächlich so schlecht in meinem Zimmer, dass ich mir mein Handy mit Taschenlampe, Gummibändern und Gaffa an meinen alten BMX-Helm geklebt habe, um etwas zu sehen. Das ging dann so zwei Jahre, bis ich so gut war, dass ich gedacht habe, ich trau mich und fahr mit meiner Mappe zum Studio und stell mich vor. Und das hat geklappt. Seitdem war ich in zwei Studios, wo ich wahrscheinlich in einem halben Jahr mehr gelernt habe als die zwei Jahre zu Hause.“
Hast du Vorbilder?
Paul Bähr: „Ja einige, Bounty aus Nürnberg, Felix Ardsen, Alice Summers, Valentina (Vale.rip), tiptattoo , Sascha Friedrich. Da könnte ich noch einige aufzählen. Bin jetzt gerade in diesem ganzen Traditional-Sumpf gelandet, und da es gibts so unglaublich viele gute Tätowierer.“
Was inspiriert dich?
Paul Bähr: „Uh … schwierige Frage, das kann generell alles sein. Viel aber sind das auch die alten französischen Knast-Tattoos. Alles, was mit wenig auskommt. Wo man aus vier Metern erkennt, was es sein soll.“
Was ist dir bei Sitzungen mit deinen Kunden wichtig?
Paul Bähr: „Die Chemie muss passen. Vor allem, wenn man länger zusammen an einem Projekt – Arm, Bein und so weiter – arbeitet. Ich bin meist ein Spiegel für die Kunden, die zu mir kommen. Wenn jemand nicht viel reden möchte, ist das voll okay. Wenn du viel reden möchtest, ist das auch cool. Ich möchte, dass niemand sich gedrungen fühlt, mir eine Bulette an Ohr zu quatschen. Hauptsache, die Person fühlt sich wohl und kann mir immer sagen, wenn ihr irgendwas unangenehm ist. Vor mir muss auch niemandem was peinlich sein. Kommunikation ist das Wichtigste.“
Lehnst du Anfragen auch ab, wenn ihr nicht überein kommt oder du die Pläne des Kunden nicht gut findest?
Paul Bähr: „Ja, auf jeden Fall. Wenn ich merke, dass wir uns beide in unterschiedliche Richtungen bewegen, oder dass etwas meine Expertise übersteigt und in einen komplett anderen Stil geht, wäre man bei jemand anderem besser aufgehoben.“
Paul Bähr – Dienstleister oder Künstler?
Für viele eine kontroverse Frage, aber wie empfindest du dich – als Dienstleister, Künstler oder etwas dazwischen?
Paul Bähr: „Ich würde Letzteres sagen. Wenn man fünf Termine die Woche hat, kommt man kaum dazu, eigentlich Künstler zu sein. Aber wenn ich mich für eins entscheiden müsste, wäre das Dienstleister.“
Was oder wen möchtest du unbedingt mal tätowieren?
Paul Bähr: „Also, ich würde unbedingt gerne mal einen Rücken ausarbeiten. Was mich auch noch reizt ist komplett den ganzen Kopf mal zu machen, mehr muss gar nicht sein. :)“
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Hast du selbst weitere Tattoo-Pläne für dich?
Paul Bähr: „Ja, mein Rücken wird bald weiter gemacht, von dem lieben Tobias Schneider, aber sonst kommt alles nach und nach. Ich hab keine Eile. Hätte gerne noch ein paar freie Stellen, wenn ich 50 bin.“
Fühlst du dich mit deinen Tattoos selbstsicherer?
Paul Bähr: „Das ist von Tag zu Tag unterschiedlich, aber meistens ja, deswegen hat man sie ja auch.“
Wenn dein Leben ein 90er-Jahre-Highschool-Film wäre – welche Rolle wäre deine? Der süße Cheerleader, der Anführer, der Nerd, der Sportler, der Outlaw oder ein ganz anderer Part?
Paul Bähr: „Ich denke, ich wäre der komische Bruder von irgendwem. Niemand, der viel Sendezeit bekommt.“